Miriam M. Mottl – Herzensdialoge

Der Blog über Kinderwunsch, Sexualität und Partnerschaft

Tabuthema Fehlgeburt (Abort)

Wir sollten darüber reden

Wenn eine Frau eine Fehlgeburt (medizinisch: Abort) erleidet, hat diese Erfahrung nichts leichtes – im Gegenteil: mit dieser Erfahrung werden viele Träume und Hoffnungen in einem Augenblick zerstört. Eine Fehlgeburt wird von einem schmerzhaften Trauerprozess begleitet.

Obwohl Aborte gar nicht so selten vorkommen, wie Du vielleicht denkst, ist das Thema immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Mir wurde das auch erst richtig bewusst, als ich meine medizinische Karriere angefangen habe und in meinem Klinikalltag viele Frauen vor allem in ihrer Frühschwangerschaft bei einer Fehlgeburt begleitet habe.

Die wir lieben, sind nur geborgt.
Wann sie gehen, entscheiden wir nicht.
Wir entscheiden, ob wir die Erinnerung als Geschenk annehmen wollen.
Niemand ist fort, den man liebt. Liebe ist ewige Gegenwart. – Stefan Zweig

Wann spricht man von einer Fehlgeburt und welche Formen gibt es?

Von einer frühen Fehlgeburt spricht man bis zur 12. Schwangerschaftswoche. Ein Abort zwischen der 13. bis hin zur 24. Schwangerschaftswoche wird späte Fehlgeburt genannt. Ab der 24. Schwangerschaftswoche ist ein Kind theoretisch überlebensfähig, ab einem Gewicht von 500g spricht man von einer Totgeburt.

Zudem gibt es verschiedene Formen einer Fehlgeburt:

  • Abortus Imminens

Dabei handelt es sich um eine drohende Fehlgeburt, bei der noch eine intakte Schwangerschaft auf dem Ultraschall zu sehen ist. Während man noch eine positive Schwangerschaft und positive Herzaktion auf dem Ultraschall sieht, kommt es zu einer Blutung aus Scheide bzw. Muttermund.

  • Abortus Incipiens

Dabei handelt es sich um eine beginnende Fehlgeburt, bei welcher die Schwangerschaft nicht mehr intakt ist. Das heißt, dass es keine oder nur noch eine sehr schwache Herzaktion gibt. Meist geht eine beginnende Fehlgeburt mit starken Blutungen, in manchen Fällen aber auch nur mit Schmierbltungen einher. Frauen beschreiben dies außerdem mit einem Gefühl, “dass es bald losgeht”.

  • Abortus Incompletus

Dabei handelt es sich um eine unvollständige Fehlgeburt, bei der ein Teil der Schwangerschaft, der Frucht ausgeschieden wird, bzw. bereits ausgestoßen wurde. In der Regel hat die Frau dann schon große Blutklumpen verloren, was durchaus schon Anteile der Schwangerschaft sein können.

  • Abortus Completus

Dabei handelt es sich um eine vollständige Fehlgeburt. Das heißt, dass weder Frucht oder Embryo, noch Dottersack oder Fruchthülle mehr in der Gebärmutter gesehen werden können. In diesem Falle hat die Natur die Schwangerschaft beendet und der Körper hat (fast) alle Überreste bereits ausgestoßen.

  • Verhaltene Fehlgeburt/ Missed Abotion

Dabei handelt es sich um eine verpasste Fehlgeburt. Das bedeutet, dass nicht bemerkt wurde, dass der Herzschlag des Kindes aufgehört hat. Es ist wichtig zu wissen, dass Frauen dies auch gar nicht merken können, da sich das Schwangerschaftshormon nur sehr langsam abbaut. Das hat zur Folge, dass sich die Frauen weiterhin absolut schwanger fühlen. Eine verpasste Fehlgeburt ist relativ häufig und wird dann meist bei einem Kontrollultraschall erkannt.

  • Fruchthöhle ohne Embryo

Das nennen wir auch Windei oder Pseudogestationssack. Dabei lässt sich nur schwer feststellen, ob überhaupt eine intakte Schwangerschaft stattgefunden hat.

  • Blasenmole

Dabei handelt es sich um eine absolut gestörte Schwangerschaft, bei welcher zwar das Schwangerschaftshormon sehr stark ist und die typischen Symptome einer Schwangerschaft beobachtet werden. Trotzdem hat sich keine richtige Schwangerschaftsanlage gebildet. Eine Blasenmole wir von Medizinern im Ultraschall als Schneegestöber bezeichnet, da es auf dem Ultraschallbild wie ein “geschäumtes Etwas” aussieht. Blasenmolen können entarten und zu einem bösartigen Gewächs in der Gebärmutter werden, daher muss hier immer “operativ” gehandelt werden, wenn der Verdacht besteht!

Vorgehen nach einer Fehlgeburt

  • Natürliche Ausscheidung  

Eine Frau hat nach einer Fehlgeburt die Möglichkeit, auf ein natürliches Ende der Schwangerschaft zu warten. Dabei werden die Überreste der Schwangerschaft natürlich und ohne Eingriff ausgeschieden. Das bietet sich vor allem in den ersten Wochen der Frühschwangerschaft an, und kommt tatsächlich auch häufig unerkannt vor. In diesem Fall wusste die Frau nicht, dass sie schwanger ist und weil sie auf keine Schwangerschaft wartet, macht sie keinen Test, wenn sie ein paar Tage überfällig ist. Dann kommt es zu einer stärkeren Blutung mit eventueller vorausgehender Schmierblutung.

  • Prostaglandin

Prostaglandin sind Tabletten, die eine Geburt einleiten. Prostaglandine sind aber auch im Samenerguss und im Fruchtwasser zu finden.  Durch sie wird der Muttermund weich und die Spermien gelangen besser in die Gebärmutter. Bei einer Geburt werden so die Wehen ausgelöst. Nach einer Fehlgeburt helfen die Prostaglandine die Überreste der Schwangerschaft auszuscheiden. Früher wurde das Medikament im krankenhaus- setting verabreicht, heute können Frauen die Tablette einfach zu Hause nehmen. Das ist in der Regel eine gute Entlastung für die Frau, da sie und die Familie dadurch zusammen im häuslichen Umfeld mit dem Verlust klar kommen und sich verabschieden können. In seltenen Fällen muss nach frühen Aborten noch eine Ausschabung vorgenommen werden. Bei späten Aborten muss fast immer eine zusätzliche Ausschabung vorgenommen werden, weil sich die Plazenta nicht mehr so gut löst. Deshalb ist es sehr wichtig, dass das Schwangerschaftshormon getestet, bestimmt und kontrolliert wird.

  • Ausschabung

Bei einer Ausschabung wird während einer kurzen Narkose die Gebärmutter mittels eines medizinischen Instruments, namens Kürette (= kleine Metallschlinge, mit einem Zungenschaber vergleichbar (nur viel kleiner)) gereinigt. Damit wird ganz vorsichtig die Frucht, die Eihäute und Fruchthöhle entfernt. Dieser Vorgang ist mit einigen Risiken verbunden, denn man hat festgestellt, dass Frauen, die eine Ausschabung hatten, bei den Folgeschwangerschaften mehr Plazenta- Besonderheiten hatten. Dies kann man durch die Aufrauhung der Gebärmutter erklären. Mögliche Besonderheiten der Plazenta sind zum Beispiel, dass die Plazenta sich in die Gebärmutter frisst (Plazenta in-/percreta), oder vor dem Muttermund liegt (Plazenta praevia). Außerdem kann es auch vorkommen, dass sich nach einer “normalen” Schwangerschaft die Plazenta erschwert löst, sodass eventuell eine erneute Ausschabung (Nachkürettage) vorgenommen werden muss. Trotzdem ist die Ausschabung eine schnelle Methode und in vielen Fällen notwendig.

  • Saugkürettage 

Dabei wird mit einer Art kleinem Staubsauger in die Gebärmutterhöhle gegangen und die Gebärmutter ausgesaugt. Das Kind, die Eihäute und Plazenta werden so entfernt. Die Saugkürettage ist eine schonende Methode und wird in den meisten Krankenhäusern sehr oft angewendet und ist deshalb ein bevorzugtes Verfahren.

In den späteren Schwangerschaftswochen spricht man von einer Stillgeburt / kleinen Geburt und in diesem Fall werden die Kinder oft trotzdem natürlich geboren. Das klingt sehr hart, aber Erfahrungen zeigen, dass diese Erfahrung sehr wichtig für den Trauerprozess der Eltern ist. So haben sie zum Beispiel dadurch die Möglichkeit, sich von ihrem Baby zu verabschieden, indem sie ihr Kind sehen, anfassen und, wenn sie möchten, auch Erinnerungsfotos machen. Studien zeigen, dass das Paaren hilft, dieses Schicksal anzunehmen. Mittlerweile gibt es ganz tolle Initiativen von Fotografen, die dann in die Klinik kommen und die Sternenkinder fotografieren.

Nach einer Fehlgeburt ist es sehr wichtig, dass die Blutgruppe der Mutter, der Rhesusfaktor bestimmt werden. Wenn der Rhesusfaktor negativ ist, muss unbedingt eine Rhesusprophylaxe verabreicht werden, damit die Frau keine Antikörper für die Folgeschwangerschaft entwickelt.

Häufigkeit von Fehlgeburten

Über die Häufigkeit von Fehlgeburten lässt sich streiten. In der Literatur findet man alles zwischen 20 und 30 Prozent. Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich sagen, dass ein Drittel der Schwangerschaften in einem Abort enden. Davon sind wiederum 80 Prozent frühe Fehlgeburten, also vor der 12. Schwangerschaftswoche.

Außerdem spielt auch das Alter der Frau eine wichtige Rolle bei der Häufigkeit von Fehlgeburten. So haben zum Beispiel jüngere Frauen zwischen 20 und 30 Jahren laut Literatur ein Fehlgeburtsrisiko von 8 bis 17 Prozent. Bei Frauen zwischen 35 und 40 Jahren steigt das Risiko schon auf 23 bis 45 Prozent.

Mögliche Ursachen für eine Fehlgeburt

Wenn ein Embryo, also die Frucht nicht überlebensfähig ist, kommt es zu einer Fehlgeburt. Mögliche Ursachen sind:

  • Chromosomenstörung

Eine der häufigsten Ursachen sind Chromosomenstörungen. Das bedeutet, dass es eine genetische Ursache gibt, also Mutationen, die neu oder bei der Zellteilung auftreten können. Chromosomenstörungen bedeutet nicht, dass die Eltern genetische Auffälligkeiten haben.

  • Hormonelle Ursachen

Zu den hormonellen Ursachen gehört zum Beispiel Progesteronmangel, was aber natürlich substituiert werden kann. Mehr zu diesem Thema findest Du in meinem letzten Blogbeitrag. Andere hormonelle Ursachen sind zum Beispiel, wenn das Schilddrüsenhormon sehr hoch ist, aber auch Gerinnungsstörungen können eine Gefahr für das ungeborene Baby sein. Denn Mikrothromben in der Schwangerschaft können dazu führen, dass das Kind nicht mehr richtig versorgt werden kann. Für Blutgerinnungsstörungen kann zum Beispiel die Faktor-V-Leiden-Mutation verantwortlich sein, eine Erbkrankheit, die die Blutgerinnung stört. Die Frauen, die dies betrifft leiden oft an habituellen Aborten (wiederholte Fehlgeburten).

  • Besondere Form der Gebärmutter

Wenn die Gebärmutter eine besondere Form hat, kann dies eine Ursache für eine Fehlgeburt sein. Dazu zählen zum Beispiel: eine herzförmige oder doppelte Gebärmutter. Auch Myome, also Muskelknoten der Gebärmutter, die in die Gebärmutterhöhle ragen oder Polypen stellen ein solches Risiko dar.

  • Infektionen

Ursachen von Aborten in einer höheren Schwangerschaftswoche haben häufig eine Infektion zur Ursache. So können zum Beispiel Röteln, Masern oder Toxoplasmose zu einer Fehlgeburt führen. Auf dieses Thema werde ich in einem anderen Blogeintrag näher eingehen.

  • Immunologische Ursachen

Eine weitere Ursache für eine Fehlgeburt kann immunologischer Natur sein. Darauf möchte ich hier im Detail jetzt aber nicht eingehen, da dies ein sehr weites Thema ist und die Forschung noch viel in dem Bereich zu tun hat.

Habituelle Aborte

Wenn eine Frau mehr als 3 Fehlgeburten hatte, was circa einen einstelligen Prozentsatz aller Frauen betrifft, spricht man von habituellen Aborten. Ist das der Fall, gibt es eine genaue Kaskade an Ursachen, die Ärzt_innen dann abklären: dazu gehören anatomische Ursachen, also Fehlbildungen der Gebärmutter, Hormonuntersuchungen, genetische Untersuchungen beider Partner und immunologische Untersuchungen.

Fazit

Eine Fehlgeburt ist ein traumatisches Erlebnis und kommt häufiger vor, als wir uns vielleicht dachten. Warum es wichtig ist das Thema zu enttabuisieren? Zum einen natürlich, um die Betroffenen mit ihrer Trauer nicht allein zu lassen. Oft steckt dahinter falsche Scham und die Angst nicht in ihrer Trauer verstanden zu werden, die dazu führen, dass Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, nicht darüber sprechen.

Ich möchte Dir jetzt noch 3 Bücher empfehlen, die meiner Meinung nach die besten zum Thema sind. Sie zeigen viele Möglichkeiten auf, wie Familien Abschied nehmen können. Bald werde ich in einem extra Blogeintrag noch einmal genauer über Trauerarbeit und den Abschied schreiben.

Viele Frauen, die Fehlgeburten erleiden, schweigen und fühlen sich in ihrer Situation allein, denn es ist ein gesellschaftliches Tabuthema, über den Verlust des ungeborenen Kindes zu sprechen. Dabei bleibt oft auch die professionelle, sensible medizinische Betreuung auf der Strecke und die Verarbeitung wird erschwert.

Was erleben Frauen bei einer Fehlgeburt? Kennen sie ihre Rechte und Möglichkeiten? Was hilft ihnen, die Situation zu verarbeiten? Die Autorin hat mehr als 400 Frauen befragt und ihre Antworten in dieses Buch einbezogen. Dieser Ratgeber bietet fachliche Informationen rund um das Thema Fehlgeburt und soll Frauen Wissen an die Hand geben, um den Verlust bestmöglich zu verarbeiten. Aber auch Angehörigen, Freunden und medizinischem Personal kann dieses Buch helfen, sensibel mit dem Thema umzugehen.”

Dieses Buch begleitet Eltern einfühlsam auf ihrem Weg durch die Trauer. Sie erfahren, dass sie mit ihren Gefühlen und Reaktionen nicht allein sind, aber auch, dass die Zeit des unsagbaren Schmerzes und der Untröstlichkeit überwunden werden kann.

Hannah Lothrop führt Betroffene durch den Trauerprozess beim Tod ihres Babys und bietet für jeden Schritt konkrete Hilfen zur Heilung von Körper, Geist und Seele an. Die Erfahrungen können im Sinne eigener Werte durchlebt werden – der Grundstein dafür, dass Trauernde an diesen Erfahrungen nicht zerbrechen, sondern wieder zu Hoffnung und neuem Lebensmut finden.”

The death of a child is an overwhelming loss. “Why did my child die?” and “Is my child suffering now?” are questions that all people, of all cultures and backgrounds, ask. But characteristic of Western culture is a limited language for expressing grief, and a consuming guilt that undermines the recovery process. Dr. Sukie Miller, author of the landmark work After Death, turns to the beliefs and healing stories of other cultures to present a unique perspective that is both surprising and comforting. Sharing her research with a compassionate and grounded voice, she offers hope to those seeking meaning in what seems senseless, and heartening possibilities for returning to wholeness, even if we feel life cannot ever be the same.”

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