Miriam M. Mottl – Herzensdialoge

Der Blog über Kinderwunsch, Sexualität und Partnerschaft

Glücksmomente einer Ärztin

in der Kinderwunschklinik

Letzte Woche durfte ich das erste Baby kennenlernen, welches ich, als Reproduktionsmedizinerin, einer Frau letztes Jahr transferiert hatte. Das Paar kam mit dem Baby vorbei und brachte dem Team sogar etwas Süßes. Wir waren alle verzaubert… nicht nur vom Kuchen. Danke!

Seit einem Jahr bin ich nun in Österreich als Frauenärztin in einer Kinderwunschklinik angestellt. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, über Paare, Kinderwunsch und auch über mich.

Die ersten Monate waren wie jeder Job, eine logistische und praktische Herausforderung. Wie gibt man welches Medikament? Wo finde ich welche Unterlagen? Was ist ein Follikelmonitoring? Was ist ein dreischichtiges Endometrium (Schleimhaut in der Gebärmutter)?

Selbst in den 8 Jahren als Ärztin in der Frauenheilkunde habe ich immer noch nicht alles gesehen. Genau dies fasziniert mich an der Medizin: es gibt unendlich viele Möglichkeiten zu lernen und neue Ergebnisse der Wissenschaften zu nutzen.

Wie läuft eigentlich ein Besuch im Kinderwunschzentrum ab?

Meistens treffe ich meine Paare das erste Mal bei dem Erstgespräch. Hier nehme ich mir Zeit für das Paar und höre mir ihre „Vorgeschichte“ an. Einige Paare sind das erste Mal in einem Kinderwunschzentrum, andere kennen sich schon gut aus.

Im Endeffekt erhebe ich eine Anamnese (Krankheitsgeschichte) des Paares und welche Maßnahmen schon getroffen worden sind um schwanger zu werden. Zum Beispiel: Temperaturmessung, Ovulationstest, Follikelmonitoring, Verkehr zum optimalen Zeitpunkt, Inseminationen, Vorbehandlungen in anderen Kliniken.

Danach schaue ich gemeinsam mit dem Paar, welche weiteren Untersuchungen sinnvoll wären, bevor eine Schwangerschaft angestrebt wird. Es wird dann gemeinsam ein Plan gefasst, wie es weitergehen soll.

Wie läuft eine künstliche Befruchtung in einer Kinderwunschklinik ab?

Im Falle einer „künstlichen Befruchtung“ (IVF – in vitro fertilization oder ICSI – Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) – wird ein Plan erstellt mit Hormonspritzen. Klingt nicht berauschend, aber ja wir nutzen Hormone. Hormone, die unser Körper auch produziert, damit jeden Monat ein Follikel wächst und später springt (Eisprung). Wir geben einfach mehr, damit alle Follikel mal groß werden dürfen.

Den Gedanken finde ich eigentlich schön, dass wir in einem Zyklus allen potentiellen Eizellen die Möglichkeit geben ein Kind zu werden. Aber bevor dies passiert, müssen die Eizellen erstmal im Rahmen einer Narkose gewonnen werden. Eine Narkose ist wichtig, da wir beim Punktieren mit einer Nadel in den Eierstock stechen (wie beim Blutabnehmen) und die Follikel punktieren. In der Flüssigkeit des Follikels schwimmt dann die Eizelle. Diese wird liebevoll von den Biolog|innen gesucht und später mit dem Sperma des Partners oder einen Samenspenders befruchtet.

Manchmal reicht es die Eizellen und den Samen, wie bei einer großen Party einfach zusammen zu führen (IVF). In anderen Fällen brauchen die Eizellen und der Samen etwas mehr unsere Hilfe. Unsere Biolog|innen spielen dann „Vermittler“ und suchen den schönsten Samen aus und injizieren diesen dann in die jeweilige Eizelle (ICSI)

Nach fünf Tagen im „Brutkasten“ ist es soweit. Das Paar kommt zum Embryonentransfer. Eigentlich ist es noch kein richtiger Embryo – sondern eine Blastozyste, ein kleiner Zellhaufen. Dieser ist aber schon richtig lebendig und man kann ihn manchmal unter dem Mikroskop schon „atmen“ sehen. Natürlich atmet er nicht wirklich, aber bevor er schlüpft, zieht er sich zusammen und dies erscheint wie eine Atembewegung.

Der Tag des Embryotransfers…

Selbst nach einem Jahr empfinde ich bei einem Embryotransfers Demut. Aber was passiert da eigentlich? Das Paar kommt in einen Untersuchungsraum und es wird besprochen wie viele Blastozysten nach einer Punktion und der Befruchtung der Eizellen mit dem Sperma übrig geblieben sind oder wie die aufgetaute Blastozyste den Prozess überstanden hat.

Danach verläuft es erstmal wie eine normale gynäkologische Untersuchung, die Frau setzt / legt sich auf den gynäkologischen Stuhl und es wird adominale mit Ultraschall die Gebärmutter dargestellt. Hier ist es in den meisten Fällen hilfreich, wenn die Blase gefühlt ist, weil dann das Bild besser ist und die Gebärmutter gerade im Bauch liegt. Dann wird unter Ultraschallkontrolle ein Führungsstab (ganz klein und zart) direkt vor der perfekten Schleimhaut in der Gebärmutter positioniert. Im Normalfall ist dies schmerzlos und weniger unangenehm als die jährliche Krebsvorsorgeuntersuchung.

Dann gibt es das Signal an den Biologen und ab jetzt wird es aufregend. Der Biolog|in zieht den Blastozysten sanft auf in einen kleinen Schlauch und diesen darf ich dann über das Führungsröhrchen platzieren. Dieser Prozess ist fast magisch. Alle blicken auf den Bildschirm, schauen wie auf einmal ein kleiner weißer Punkt auf dem Bildschirm des Ultraschallgerätes erscheint. Dieser Punkt ist eigentlich Luft, womit der Blastozyst markiert ist, damit ich weiß wo er ist, denn diesen sieht man nur unterm Mikroskop.

Das Absetzen des Blastozysten ist nicht spürbar für die Frau, aber durch den kleinen Punkt sieht man, wo er ungefähr liegt. Danach wird überprüft, ob er auch ausgestiegen ist, denn manchmal bleibt er im Schlauch und dann braucht man einen zweiten Versuch.

Wenn die Rückmeldung vom Biolog|in kommt, dass „es passt“ – werden alle Hilfsmittel von der Frau entfernt und es bleibt ein Bild von dem „Sternchen“ über. In den nächsten 12 Stunden wird der Blastozyst schlüpfen und sich mit dem Endometrium (Schleimhaut) der Gebärmutter verbinden.

Ich empfinde diesen Moment als etwas ganz Besonderes und versuche dieses auch mit dem Paar gemeinsam zu gestalten. Hier fordere ich das Paar auf, an dem Tag die „Romantik“ nachzuholen. Denn in dem ganzen Kinderwunschprozess geht das Paar selber oft unter.

Was meine ich eigentlich mit „Romantik“?

Das Paar hat oft schon einen langen Leidensweg hinter sich und vergisst oft, was es eigentlich an sich hat – an dem Partner|in und am gemeinsamem Leben. Hier sind die Paare selber sehr kreativ und ich habe schon alles gehört vom Kinobesuch, Netflixmarathon, Spaziergänge, Hochzeitsvideos, Urlaubsalben anschauen, gemeinsam kochen, mit Freunden Spieleabende ausrichten… oder einfach nur gemütlich Zeit zusammen zu verbringen – zu kuscheln und mal wieder länger als „3 Sekunden“ zu küssen.

Durch die bewusste Zeit werden Botenstoffe ausgeschüttet und durch das gemeinsame Lachen, die Durchblutung in der Gebärmutter gefördert – ich bin davon überzeugt, dass dies einen positiven Einfluss auf die Einnistung des Blastozysten hat.

Nach zwei Wochen gibt es einen Schwangerschaftstest und wenn die Schwangerschaft weiter gut verläuft, sieht man nach 6 Wochen ein oder zwei Herzchen schlagen. Dies ist der Moment, wenn wir das Paar meist zum letzten Mal sehen. Denn ab hier handelt es sich um eine „normale“ Schwangerschaft und die Vorsorgen werden vom niedergelassenen Frauenarzt gemacht.

Nach 10 Monaten…

…gibt es manchmal Besuch und man sieht wie aus dem kleinen weißen Sternchen ein Kind geworden ist, ein Mensch mit Bedürfnissen und Wünschen. Diese Momente sind kostbar und machen uns dankbar für unsere Arbeit.