Miriam war zu Gast bei
“Du bist wunderbar. Der Mutmach-Podcast”
Braucht es eine erfüllte Sexualität für ein glückliches Leben? In welchem Zusammenhang stehen Selbstliebe und Sexualität?
Der Podcast „Du bist wunderbar“ dreht sich um Selbstliebe und damit einhergehende vielfältige Themen. Selbstliebe hat auch viel mit Sexualität zu tun. Denn Sexualität beginnt mit dem Selbst. Die Psyche und das eigene Wesen sind zwei große Komponenten, wenn es um die eigene Lust oder auch die Sexualität mit einem oder mehreren Partnern geht. Die eigene Perspektive auf Sex und Sexualität hat sehr viel damit zu tun, wie jemand selbst über sich denkt.
Selbstliebe ist ein großes Thema, welches sich viel mit der eigenen Erfülltheit beschäftigt. Doch wie ist das mit der Sexualität?
Eine erfüllte Sexualität darf zu einer erfüllten Partnerschaft und einem erfüllten Leben dazugehören.
Kann ein Leben nur glücklich sein, wenn die Sexualität erfüllt ist?
Zunächst stellt sich die Frage: Was ist ein glückliches Leben überhaupt? Denn die Vorstellung das dies bedeutet in einem puren Glückszustand zu sein, ist ein Mythos. Eine erfüllte Sexualität darf zu einer erfüllten Partnerschaft und einem erfüllten Leben dazugehören. Hier muss jedoch unterschieden werden. Denn ganz individuell gibt es Menschen, die eine erfüllte Sexualität mehr brauchen und solche, die es weniger brauchen. Wo beginnt eigentlich Sexualität? Auch auf diese Frage gibt es ganz individuelle Antworten und Bedürfnisse. Alle Menschen haben das Bedürfnis nach Intimität, jene die dieses Bedürfnis weniger haben, haben auch gleichzeitig weniger Ansprüche und daher ist die Nähe, die sie brauchen, viel schneller erfüllt, als die von anderen.
Wichtig ist es zu verstehen, dass jeder andere Bedürfnisse hat und diese sich je nach Lebensphase und dem Alter auch verändern. Man möchte ganz andere Dinge mit 16, als mit 60. Auch in der Schwangerschaft verändert sich vieles. Wenn etwas einmal nicht funktioniert, kommt das Thema Selbstliebe ins Spiel. Denn es ist ganz normal, dass in der Sexualität nicht immer alles klappt. Es ist wichtig, mit sich selbst geduldig zu sein und frei zu kommunizieren, mit sich selbst aber auch dem Partner beziehungsweise den Partnern. Gerade viele junge Menschen haben ein falsches Bild von Sexualität. Denn sie entdecken diese gerade erst und vieles ist immer noch tabuisiert. Wenn sie nicht von zu Hause aus aufgeklärt sind, kennen sie nur den abstrakten Sexualkundeunterricht aus der Schule oder aber Pornografie. Insbesondere Frauen trauen sich oft nicht zu sagen, dass sie diese Art der Sexualität nicht befriedigend finden.
Wie kann man es also schaffen, dass offener über diese Tabuthemen gesprochen wird und dadurch weniger Probleme in Beziehungen oder mit dem eigenen Selbst auftauchen?
Dadurch das auf Jugendliche schon früh der Druck ausgeübt wird, dass das erste Mal wunderschön sein muss, wird sofort eine falsche Realität dargestellt. Denn viele erinnern sich beispielsweise nicht an ihr erstes Mal oder nur verschwommen. Gerade als Erwachsene Menschen, die mit einer Vorbildfunktion vorangehen ist es wichtig, Sexualität und das Bedürfnis nach Nähe als etwas Selbstverständliches zu vermitteln. Genauso sollte auch kommuniziert werden, dass es normal ist, wenn etwas mal nicht klappt. Wenn zum Beispiel der Mann eine Erektionsstörung hat oder die Frau keinen Höhepunkt bekommt, dadurch kann eine gewisse Akzeptanz geschaffen werden, dass es nicht so ist wie im Porno. Dadurch das offen darüber geredet wird, kann eine neue Normalität geschaffen werden. Denn schlussendlich schaffen wir uns unsere eigene Normalität. Normen werden von der Gesellschaft erschaffen und wir sind ein Teil dieser Gesellschaft. Dadurch das wir sagen, dass etwas normal ist, wird es irgendwann normal, aber es muss jemand damit erst einmal beginnen.
Wie sehr hängt die Sexualität und zum Beispiel Orgasmus Probleme von der eigenen Psyche ab? Sind diese Probleme organischer oder psychischer Natur?
In den meisten Fällen ist es tatsächlich so, dass eine psychische Komponente mit reinspielt, das hängt damit zusammen, dass unser größtes Geschlechtsorgan, unser Gehirn ist. Im Endeffekt funktionieren die Vagina und der Penis als ausführende Organe des Gehirns. Die Erregung selbst startet im Kopf. Dahingehend hat Sexualität auch etwas mit dem eigenen Mindset zu tun. Denn wenn jemand nicht zulässt, dass seine Gedanken in eine Erregung abschweifen, dann kann auch keine entstehen. Durch den Druck und die Erwartungshaltung, dass wenn derjenige mit seinem Partner zusammen ist, direkt eine Erregung entstehen muss, ist man blockiert. Besser wäre es, sich 3 bis 4 Stunden lang Zeit zu nehmen, damit ein Freiraum und damit auch eine gewisse Langeweile entsteht. Man hat zum Beispiel bei Kindern festgestellt, dass wenn ihnen langweilig ist, nur dann ihre Fantasie geweckt werden kann. Heutzutage gibt es durch IPads und andere Geräte sehr viel Ablenkung und Kinder können häufig gar nicht mehr mit sich alleine spielen.
Im übertragenen Sinne auf Sexualität, wenn keine Langeweile mehr da ist, sondern nur noch Ablenkung, entsteht keine Erregung. Viele Menschen vor allem Frauen, „gönnen“ sich die Erregung oft nicht, weil sie der Meinung sind, sie haben es nicht verdient oder haben bestimmte Dinge nicht erreicht. Den Freiraum zu schaffen und es sich selbst zu „gönnen“, hat etwas mit Selbstliebe zu tun. Um diesen Freiraum wieder zu schaffen, ist es wichtig, sich aus der Gedankenspirale herauszuholen. Gedanken wie zum Beispiel: „Sehe ich gerade unvorteilhaft aus?“, können leicht zu einer negativen Spirale führen. Etwas, was man tun kann, ist zum Beispiel, sich für eine längere Zeit zu küssen. Viele Paare berichten, dass wenn man sich innig küsst, diese Gedanken automatisch aufhören. Um sich also wieder in den Moment selbst zu holen, kann küssen helfen. Es ist auch nicht schlimm, wenn man gemeinsam im Bett landet, ohne Sex zu haben. Auch wenn es im Endeffekt nur im Kuscheln endet oder nur einer einen Höhepunkt hat, oder zwischendurch eine Flasche Wein aufgemacht wird. Die Lust kann immer wieder neu entfacht werden und es gibt kein richtig oder falsch.
Wie akzeptiert man seine eigenen Vorlieben und löst sich von der Angst, etwas auszuprobieren zu wollen und dies dem Partner zu kommunizieren?
In der Sexualität gibt es nichts Falsches oder Richtiges. Alles, was Spaß macht, ist erlaubt. Nicht jede Fantasie muss ausgelebt werden. Viele stellen sich Sex am Strand romantisch vor. Doch wer schon einmal Sex am Strand hatte weiß, wie ungemütlich es sein kann, der Sand kommt überall hin und es ist nass. Wichtig ist es, sich die Fantasien erst einmal selbst einzugestehen. Es kann sein, dass wenn man sie ausprobiert, es sogar noch besser ist als angenommen, oder aber das Gegenteil ist der Fall. Ein Paar in der Klinik hatte Problem über ihre Vorlieben zu reden. Also schrieb die Frau ihrem Partner eine Kurzgeschichte, da sie gerne schrieb und ihr Partner suchte Bilder zu seiner Fantasie heraus, da er eher pragmatisch veranlagt war. Jeder hat seine eigene individuelle Art, Dinge zu kommunizieren.
Wenn es jemandem schwer fällt, dem Partner die eigenen Vorlieben zu kommunizieren, gibt es mittlerweile viele Apps und Spiele, die dabei helfen die eigenen Fantasien bei dem Partner anzusprechen. Der Druck sollte dabei herausgenommen werden. Oft gibt es die Vorstellung, dass das Sexleben in der Partnerschaft auf eine bestimmte Art und Weise sein muss oder das eine bestimmte Häufigkeit vorgewiesen werden muss. Es ist jedoch vollkommen in Ordnung, wenn jemand eher konventionell ist und das für denjenigen das ist, was ihm am meisten Spaß macht. Denn nicht jeder muss oder möchte ständig alles ausprobieren und auch da, sollte der Druck raus. Dieser Druck das, „das Sexleben sehr aufregend sein muss und viel ausprobiert werden muss“, kommt von außen. Wenn jedoch eine innere Motivation da ist, etwas ausprobieren zu wollen, wird die Person, dies auch tun.
Manchmal gibt es die Sorge oder die Angst, den Partner zu verlieren, wenn einer von beiden eine Fantasie hat, die für den anderen zu viel ist. Im Normalfall klärt sich so etwas im Gespräch und muss auch nicht ausprobiert werden. Ein Austausch von Fantasien kann zum Beispiel einfach zu einer Verbundenheit führen. Man erfährt etwas Neues voneinander und Geheimnisse werden geteilt, vielleicht sogar etwas Neues ausprobiert.
Es ist außerdem nicht außer Acht zu lassen, dass Sexualität sich innerhalb einer Partnerschaft verändert. Es ist völlig normal, dass es Höhen und Tiefen gibt. Die Vorstellung das es in einer Partnerschaft immer eine konstant bleibende, tolle und erfüllte Sexualität gibt, entspricht nicht der Realität. Als Menschen haben wir ja auch nicht immer jeden Tag gute Laune, warum also sollte es mit dem Höhepunkt und der Sexualität anders sein? Diese Erwartungshaltung, die herrscht, macht uns eigentlich nur selbst das Leben schwer. Schön ist es, die Momente wo es gut läuft zu genießen.
Wichtig ist es, sich die Fantasien erst einmal selbst einzugestehen.
Gibt es gute Einsteigermaterialien, die das Gefühl vermitteln, dass an jeder Art von Sexualität nichts Falsches ist und jeder sein kann wie er möchte?
Heutzutage gibt es tatsächlich jede Menge Bücher zu dem Thema. Eines der bekanntesten ist wohl „Make Love‘“ von Ann-Marlene Henning. Es gibt eine Version für Erwachsene und eine für Jugendliche. Ein neueres Buch namens „Sex ist wie Brokkoli nur anders“ von Carsten Müller, thematisiert, was eigentlich Normalität ist und wie man den Begriff definiert. Eine weitere Empfehlung ist „ Komm wie du willst“ von Emily Nagoski*. In dem Buch geht es vorrangig um den weiblichen Orgasmus, das Buch ist mit einer Leichtigkeit geschrieben und liest sich wirklich gut. Die Autorin und Sexualpädagogin Melanie Büttner, schrieb ein Buch namens „Ist das normal?“, auch dort werden genau solche Tabu Themen angesprochen.
Ein komplett anderer Ratschlag wäre, sich einfach mal mit Freunden zusammensetzen und darüber reden. Einfach mal die Freunde fragen, welche Bücher sie gerade lesen oder welche Serien sie schauen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Eine Serie, ist zum Beispiel „Sex Education“. In der Serie geht es um den Hauptcharakter namens Otis. Er ist der Sohn einer Sexualtherapeutin und betreibt mit dem Wissen, was er durch seine Mutter mitbekommen hat, heimlich ein Aufklärungsgeschäft in der Schule. Dabei wird Sexualität und Beziehung normalisiert und es hat einen Unterhaltungsfaktor.
Eine Übung, die man auch machen kann, wenn man mehr Selbstliebe praktizieren möchte, ist es, sich jeden Tag ein bisschen Zeit zu nehmen und sich selbst im Spiegel zu betrachten. Anschließend sollten nur Dinge benannt werden, die man an sich selbst gut findet. Mit der Zeit werden es immer mehr Dinge und die Negativität rückt in den Hintergrund. Dadurch wird es leichter aus dieser Spirale wieder herauszukommen und mit viel Selbstliebe, Verständnis und Offenheit Sexualität so auszuleben, wie man es selbst gerne möchte- ganz ohne Druck.
Hier kannst du die ganze Folge hören
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